Region des Gedenkens und der europäischen Integration
Vom 06. bis zum 10.Mai 2024 fand ein erstes erfolgreiches Studienseminar in Kooperation mit dem Deutschland- und Europapolitischen Bildungswerk NRW (DEPB) im Elsass statt. Neben der Seminarleitung durch Ruth Nolden (pädagogische Mitarbeiterin des DEPB) wurde die Fahrt nach Frankreich von Anna Fimpeler-Becker begleitet.
Nach der Ankunft in Mittelhausen im Hotel „A l’Etoile“ folgt eine kurze Vorstellungsrunde der Teilnehmenden und Seminarleitung/-begleitung sowie ein leckeres Abendessen mit im Elsass typischen Gerichten „Flammkuchen und Choucroûte“.
Am zweiten Tag begibt sich die Gruppe auf die Spuren der Kriege zwischen Deutschland und Frankreich in den letzten drei Jahrhunderten. Die Fahrt in Richtung Woerth/Niederbronn bei blauem Himmel und Sonnenschein lässt kaum erahnen, welche schrecklichen Kriege hier in der Vergangenheit geführt wurden. Ein großer Experte für das Thema, Bernard Klein, der frühere Leiter der Begegnungsstätte Albert Schweitzer, fährt im Bus mit, vorbei an den Feldern und Wiesen sowie an den Denkmälern, die Zeugnis ablegen von den Kriegen 1793 und 1870/71 in Froeschwiller und Woerth. Seine Erläuterungen rufen die oftmals längst vergessenen Kriege wieder stärker bzw. neu ins Gedächtnis.
Im Anschluss der (Bus-)Führung von Bernard Klein fährt die Gruppe zur Kriegsgräber- und Jugendbegegnungsstätte des Volksbundes nach Niederbronn-les-Bains. Nach einem Imbiss begrüßt Joëlle Winter, die Leiterin der Begegnungsstätte, die Teilnehmenden auf Elsässisch. Die allermeisten merken, dass sie kaum etwas verstehen von der fremd klingenden Sprache. Ähnlich wie das Plattdeutsche oder andere Dialekte in Deutschland, wird das Elsässische in Frankreich leider immer weniger verwendet. Joëlle Winter berichtet anhand persönlicher Schicksale von Menschen aus der Region über die Zeiten der französisch-deutschen Auseinandersetzungen im Elsass. Viele Fragen aus der Gruppe finden dabei Antwort.
Der Besuch der Ausstellung „Kriegsschicksale“ als auch die geführte Besichtigung der Kriegsgräberstätte sind sehr eindrucksvoll.
Trotz des Feiertags bekommen die Teilnehmenden am dritten Tag die Möglichkeit das EU-Parlament zu besuchen (siehe Foto). Bereits auf der Hinfahrt erhalten sie im Bus wesentliche Informationen über das Parlament, seine Mitglieder und Aufgaben durch Ruth Nolden. Durch eine Führung im EU-Parlament wird das Wissen in Bezug auf das Parlament und die Europäische Union (kurz vor der Europa-Wahl im Juni) mittels historischer und aktueller Bezüge vertieft.
Nach einer Mittagspause am Straßburger Münster folgt ein geführter Rundgang durch die Kathedrale mit anschließendem Stadtrundgang. Die jungen Stadtführer Jordan und Sophie führen der Gruppe die politische Bedeutung von Strasbourg für die europäische Integration vor Augen und zeigen geschichtsträchtige Orte in der Innenstadt.
Am vierten Tag besucht die Gruppe das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof Für mich und vermutlich für viele Teilnehmende das bedrückendste und eindrücklichste Erlebnis der Bildungsreise. Es ist immer wieder unvorstellbar, was Mensch bereit sind, anderen Menschen anzutun mit der Rechtfertigung eines politisch durch und durch verkommenen Regimes. Ein Abgrund des Leids tut sich auf - die Hinrichtungsstätte draußen mit dem Galben ist ein Bild, das man lange nicht vergessen wird. Der lokale Guide, Sébastian Saur, nach eigener Aussage "Elsässer, Franzose und natürlich überzeugter Europäer" erklärt die Ablaufe in dem KZ, in dem über 22.000 Menschen ermordet wurden. Bei der anschließenden Rückfahrt zum Mont Sainte Odile (Odilienberg) ist es im Bus sehr still.
Nach einer Mittagspause besichtigen die Teilnehmenden mit dem Guide das beeindruckende Kloster Hohenburg, das wegen des Feiertags am Tag zuvor zahlreiche Besucher willkommen heißt. Die Gruppe lernt viel über die Legende der Heiligen Odilie, und erfährt zum Beispiel, dass sie sowohl die Schutzpatronin des Elsass als auch die der Augenärzte ist. Die Lage des Klosters sowie das herrliche Wetter erlauben einen wunderbaren Fernblick auf die Vogesen in der einen und auf den Schwarzwald in der anderen Richtung.
Nach dem Frühstück am Abreisetag folgt eine Rückmeldung aller Seminarteilnehmenden zum Verlauf der Reise. Es bleiben viele Eindrücke zurück, die die Gruppe in die Vergangenheit und Gegenwart der gemeinsamen deutsch-französischen Geschichte im Elsass führte. Einmal mehr wird dabei deutlich, wie wichtig es ist, sich politisch einzubringen, nicht den Mund zu halten, wenn Unrecht geschieht und die Hoffnung auf Frieden nie aufzugeben und für ihn zu arbeiten, wie der Volksbund es tut.
Alle Teilnehmenden bedanken sich am Ende des Seminars ausdrücklich bei Ruth Nolden vom DEPB für das sehr interessante sowie ausgewogene Programm der Bildungsreise. Ein besonderer Dank gilt dabei auch den Referenten Bernard Klein, Joëlle Winter und Sébastian Saur. Sie alle haben die Gruppe engagiert und leidenschaftlich über die geschichtliche und gegenwärtige Situation im Elsass informiert.
Nicht unerwähnt soll bei dem Seminar zudem die vorzügliche elsässische Küche bleiben. „Délicieux“ ist hier wohl das einzig passende Wort.
Hinweis: Da die Ausschreibung des Seminars eine so große Resonanz bei den Mitgliedern und Förderern des Volksbundes in NRW erzeugt hat, wird es im April 2025 nochmals wiederholt. Gleichzeitig sind 2025 weitere Studienseminare mit dem DEPB in die Niederlande (Nijmegen) sowie nach Riga (Lettland) geplant.
Foto und Text: Anna Fimpeler-Becker